„Zu den HeldInnen der Arbeit in der Corona-Zeit und den angeblichen Lehren aus Corona“
1. Zu den „HeldInnen der Arbeit“ in der Corona-Zeit – am Beispiel der Supermarktkassiererin
Während des zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus von der Regierung verhängten Lockdowns im März und April des heurigen Jahres erfreuten sich auf einmal bestimmte Berufsgruppen wie Supermarktkassiererinnen und -kassiere, Verkäuferinnen und Verkäufer, Regaleinschlichterinnen und Regaleinschlichter- kurz Menschen, die in den Supermärkten bis dato einen völlig unbeachteten Dienst verrichteten – auf einmal einer ganz besonderen Wertschätzung. Sie wurden in Österreich – wie auch in anderen europäischen Staaten - von Vertretern der Politik, der demokratischen Öffentlichkeit bis hin zu den Bürgern als „Helden der Arbeit“ gefeiert.
„Helden“ hat man bislang nur aus Kriegszeiten gekannt oder – einzige Ausnahme – die Helden der Arbeit im ehemaligen Realen Sozialismus. Plötzlich gibt es sie wieder, Heldinnen und Helden. Der Feind, der seine Opfer fordert und gegen den es diesmal geht, ist aber weder – wie im Realen Sozialismus – eine zu überbietende Produktionsnorm noch ein feindlicher Staat, sondern ein winziges, mit dem freien Auge nicht sichtbares Wesen, von dem noch nicht einmal richtig klar ist, ob es sich bei ihm um ein vollwertiges Lebewesen handelt. Nichtsdestotrotz bedroht es die Menschen rund um den Globus, nistet sich in einem Wirt ein, und bringt ihn dazu, unzählige Exemplare seiner Art zu produzieren, die dann, die Sozialkontakte der Menschen nutzend, ihren Weg von einem Wirt zum nächsten finden. Keine Armee der Welt kann diesem Feind mit ihren Waffen und den Opfern ihrer Soldaten etwas anhaben. Mit dem Kampf gegen das Virus haben die Heldinnen und Helden unserer Tage genaugenommen auch überhaupt nichts zu schaffen.
Was ist also los, wenn Menschen, die in den Supermärkten nicht erst seit heute ihren bislang völlig unbeachteten Dienst tun und ob ihres niedrigen Einkommens auch nie in den Genuss der ansonsten einzig gültigen Anerkennung als „Leistungsträger“ der Wirtschaft kamen, als Heldinnen und Helden gefeiert werden? Wie kommen Sie zu diesem für sie höchst unbekömmlichen Lob und was macht die sogenannte „Zivilgesellschaft“ eigentlich alles mit, wenn sie diese Heldenverehrung mitmacht?
a. Der Job der Supermarktkassiererin
„Dienstleisterin unseres Herzens. Sie verrichtet auch in einschränkungsreichen Zeiten Heldinnenarbeit an der Kassa“ kann man in der Tageszeitung „Der Standard“ vom 18.März in einer Kolumne von Ronald Pohl lesen. Was macht sie zu Heldinnen?
Hören wir uns an, was Ronald Pohl über den Job der Supermarktkassiererin zu sagen weiß:
„Man hat unsere Supermarktkassiererinnen – und ihre wenigen männlichen Kollegen – schon fröhlicher, auch selbstbewusster gesehen als in diesen für sie entbehrungsreichen Tagen. Unsere Kassiererinnen sind die wenig bedankten Helferinnen der Ceres (die inoffizielle Bauernbundgöttin: Man erkennt sie an ihrem charakteristischen Füllhorn!). Mit Umsicht und eiserner Konzentration schieben sie sämtliche Waren des täglichen Bedarfs ungerührt über den Scanner: von der vakuumverpackten Dauerwurst bis zum sperrigen Zellstoffpaket.“ (Ronald Pohl, „Kopf des Tages“ Der Standard vom 18.3.2020)
Ein nicht zufällig recht trostloses Bild, das der Autor dieser Zeilen vom Job der Supermarktkassiererin, zeichnet. Alles in allem eine ziemlich monotone Angelegenheit. Stück um Stück, „Dauerwurst“ um „Zellstoffpaket“ will von der einen Seite genommen, über die Scankasse geführt und auf der anderen Seite wieder abgelegt werden. Dazwischen immer wieder einmal das Förderband mit den angesammelten Einkaufswünschen der Kunden per Fußpedal in die Reichweite der eigenen Hände transportiert. Stunde um Stunde eines dahinfließenden Arbeitstages, Arbeitstag für Arbeitstag, Jahr für Jahr. Kein Wunder, dass da eiserne Konzentration Not tut. Freilich auch Umsicht, auf dass nur ja kein Kunde auch nur auf die Idee kommt, ein Stück Ware an ihrem wachen Blick vorbei zu schummeln. Dass dabei auf Seiten der Kassiererinnen – anders als der Schreiber dieser Zeilen uns glauben machen möchte – auch schon in besseren Tagen keine rechte Emotion aufkommen mochte, wen wundert‘s. Dafür entdeckt der Schreiber der Kolumne jede Menge Eigenheiten bei den Supermarktkassiererinnen:
„In ihrem Bestreben, den Kunden bestmöglich zu Diensten zu sein, ersinnen sie wunderliche Eigenheiten. Die einen ordnen die Münzablagen für das Wechselgeld im kunterbunten Durcheinander an. Andere sortieren die Münzen nach Art einer aufsteigenden Tonleiter: vom Cent zur Zwei-Euro-Münze. So schärfen sie während langer Schichten ihre Konzentration. Andere halten imaginäre Wettkämpfe im Kopf ab. Wer hat im Konzert der klingelnden Filialkassen seine Schlange schneller abgefertigt?“ (Ronald Pohl, „Kopf des Tages“ Der Standard vom 18.3.2020)
Schärfung der Konzentration durch das Ausführen einer wieder nur monotonen und noch dazu sinnlosen Tätigkeit? Ein Vergleich der Ordnung von Münzen mit einer Tonleiter? Dass es sich beim schnellen Abfertigen von Kunden an der Kasse um einen imaginären Wettkampf unter Kolleginnen handelt, auf eine solche Idee muss man auch erst einmal kommen. Hat er wirklich noch nie den Ruf: „Eine zweite Kasse, bitte!“ erschallen lassen, wenn es ihm wieder einmal nicht schnell genug voranging? Kassiererinnen haben in der Regel an der Kassa keine Zeit für sinnlose Konzentrationsübungen, weil die Geschäftsleitung schon dafür sorgt, dass nie zu viele Kassen besetzt sind und außerdem auch noch einiges anderes, vom Schreiber dieser Zeilen offenbar unbemerkt, zu erledigen ist.
b. Was macht die Kassiererinnen zu Heldinnen?
„In weniger aufgeregten Tagen nimmt man die Arbeitsleistung der Kassiererinnen mit einem Achselzucken zur Kenntnis“ heißt es im Standard. Stellt sich die Frage, womit sich die Kassiererinnen nach Ansicht des Verfassers der Kolumne jetzt in Corona-Zeiten „unser“ aller Wertschätzung verdient haben? Lassen wir wieder den Schreiber der Standard-Kolumne sprechen:
„Spricht man eine der heroischen Damen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an, erhält man bereitwillig Auskunft. … Sie sagen dieser Tage: „Natürlich habe ich Angst!“ Und: „Einfach ist es nicht!“ ...“ (ebenda)
Das, was der Autor dieser Zeilen den Kassiererinnen zugutegehalten sehen möchte, ist ihr „Heroismus“. Ihre Heldentat: Im Dienst an den Kassen der Supermärkte riskierten sie sehenden Auges – „Natürliche habe ich Angst“, lässt er sie zu Wort kommen – ihre Gesundheit. Keine Frage, sie sind ein hohes Risiko eingegangen, wenngleich natürlich jetzt im Nachhinein – nach einer Reihenuntersuchung – so mancher es besser zu wissen glaubt. Für sie gab es keine Kurzarbeit, kein Home-Office, kein „Social Distancing“ – sie gehörten zu den wenigen Berufsgruppen in Corona-Zeiten, die ihre Arbeitsleistung unverändert an ihrem Arbeitsplatz zu erbringen und sich damit dem Infektionsrisiko auszusetzen hatten. Wie man ebenfalls lesen konnte, durften sie sich dem Risiko vielfach sogar in ganz besonderem Maße aussetzen. Statt der sonst üblichen 20 Stunden in der Woche waren oft 40 Stunden und mehr angesagt und das – zumindest anfangs – noch völlig ungeschützt, noch ohne Zugangsbeschränkungen, Masken, Handschuhe wie es später üblich wurde.
Wie ihr Geschäft zu führen ist, das ist Sache einzig der Geschäftsinhaber und sie tun dies gemäß des mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verfolgten Zwecks. Der Schutz der Belegschaft ist offenbar nicht integraler Bestandteil dieses Zwecks. Auf die Idee, das Ansteckungsrisiko für ihre Belegschaft, wenn schon nicht zu verhindern, so doch wenigstens zu minimieren, mussten die Unternehmen daher erst noch gebracht werden. Auf die an zehn große Lebensmittel- und Drogerieketten gestellte Frage der Wochenzeitschrift ZEIT, wie und wo sie gedenken, den Schutz der bei ihnen Beschäftigten zu erhöhen, erging von Rewe folgende aufschlussreiche Stellungnahme:
„Wir stehen in engem Kontakt zu den sicherheitsrelevanten Behörden und Gesundheitsämtern“, … „sollten weitergehende Sofortmaßnahmen notwendig werden, sind wir in der Lage, entsprechend kurzfristig zu reagieren.“ (Die ZEIT vom 19.3.2020)
Im Klartext: An Sicherheitsvorkehrungen wird das umgesetzt, was vorgeschrieben wird. Selbst die Initiative zu ergreifen und entsprechende Maßnahmen zu setzen, war außerhalb der Vorstellungskraft dieser Unternehmen. Dafür erachten sich Dienstgeber nur nach Maßgabe entsprechender staatlicher Vorgaben für zuständig.
Zu zumindest potentiellen Opfern der Krise gemacht worden sind die Kassiererinnen also tatsächlich. Aber wofür spricht das? Wirklich für ein Lob der Dienstnehmer, die im Angesicht der Gefahr des Arbeitsplatzverlustes dieses Risiko auf sich genommen und ihren Dienst angetreten haben oder nicht doch eher für eine Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen Menschen sich zwischen der Sorge um ihre Gesundheit und der Sorge um den Verlust ihrer ganz und gar nicht „natürlichen“ Lebensgrundlage in einer Marktwirtschaft – ihrer Einkommensquelle Arbeitsplatz – entscheiden müssen?
Der Verfasser der Kolumne zieht einen völlig anderen Schluss. Er sieht sich als Supermarktkunde der Kassiererin gegenüber zu Dank verpflichtet. Sie sei „Dienstleisterin unserer Herzen“, versieht sie doch „in einschränkungsreichen Zeiten“ ungeachtet ihres persönlichen Risikos ihren Dienst an den Kassen der Geschäfte, die nicht qua Regierungsentscheid geschlossen wurden, und betätigt sich damit als die – in seinen Augen – unentbehrliche „Helferin der Ceres“ – der römischen Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Diese Überhöhung der Kassiererinnen zu solchen Helferinnen der Götter – und das in angeblich aufgeklärten Zeiten – belegt nur eines: die Versorgung mit Lebensmitteln gilt ihm als quasi naturgesetzlich ident mit ihrem Verkauf.
Wer derart den in Euro, Dollar oder Yen ausgewiesenen Verkaufspreis von Pflanzen als etwas recht eigentlich schon in deren Wurzeln Angelegtes sieht und demgemäß nicht zwischen Versorgung und Verkaufen unterscheiden kann, schafft es dann tatsächlich das Kassieren dieser Preise für einen Dienst am Kunden zu halten. Von dem, was die Kassiererin tatsächlich tut, ist diese Denkweise allerdings meilenweit entfernt.
c. Wem die Supermarktkassiererinnen tatsächlich dienen – von wegen „Dienstleisterin unserer Herzen“
Worin besteht er denn nun wirklich, der Dienst „unserer“ Kassiererinnen, für dessen Wahrnahme auch und besonders in Zeiten von Corona „wir“ alle als Kunden der Supermarktketten dankbar zu sein hätten?
Was die Kunden in die ansonsten eher trostlosen Einkaufshallen treibt, ist das Bedürfnis nach den Produkten aus dem Warensortiment. Man will und braucht das zur Berühmtheit gewordene Klopapier, die Produkte aus den Fleischabteilungen oder sonst eines der zum Kauf angebotenen Güter aus den Einkaufsregalen bei deren Befüllung die Kassiererinnen – von Kunden wie dem Schreiber des Standard meist unbemerkt schon frühmorgens, ihr „Spiel“ mit dem Kleingeld unterbrechend – ebenfalls zum Einsatz gekommen sind. Das Gewünschte einfach zu nehmen, ist nicht drin. Nicht, dass es nicht da wäre. Es ist bloß einfach nicht dafür da, dass diejenigen es kriegen, die es brauchen. Ohne Zahlung läuft nichts. Dann, so der einfache Schluss, wird es darum wohl in Wahrheit gehen. An der Kassa wird der Kunde mit der Tatsache konfrontiert, dass er an den von ihm begehrten Gebrauchswert nur rankommt, wenn er den vom Supermarkt als Eigentümer der Waren verlangten Geldbetrag hinlegt. Ein Supermarkt ist nicht der Ort der Verteilung von Lebensmitteln und den sonstigen notwendigen Gütern des täglichen Bedarfs, sondern die vom Kunden begehrten Konsumgüter sind für den Supermarkteigentümer das Mittel dafür, das von ihm vorgeschossene Geld zu vermehren.
Das ist der Dienst der Kassiererin, wenn sie die Waren des täglichen Bedarfs über den Scanner zieht. Es ist ein Dienst am geschäftlichen Erfolg „ihres“ Supermarktes, der seinem Betreiber einen Lohn wert ist. Ein Lohn, der – der Natur seines Zwecks entsprechend – keinesfalls zu hoch ausfallen darf. Kein Zufall, dass der Dienst für den Kunden auch Dienst am Kunden heißt. Dafür dürfen die gelobten Supermarktkassiererinnen Stunde um Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr Ware um Ware, Dauerwurst um Zellstoffpaket über den Scanner ziehen und zwar selbst in Zeiten der Gefahr, sich dabei mit einem gefährlichen Virus zu infizieren.
d. Die wahren Bestimmungsgründe des Lohns oder warum es keine Lohnerhöhungen für „Heldinnen der Arbeit“ gibt!
Die Bezahlung der Dienste der Supermarktkassiere und Supermarktkassiererinnen fällt ganz in die Zuständigkeit derer, die Nutznießer dieser Dienste sind. Dass diese Entlohnung gar nicht nieder genug sein kann, verdankt sich der Natur des mit deren Geschäft verfolgten Zwecks – Geldvorschuss in vermehrten Geldrückfluss zu verwandeln. So sieht er daher dann auch aus, der Lohn der Kassierer und Kassiererinnen. Im Internet lässt sich nachlesen:
„Zwei Drittel der Beschäftigten im österreichischen Handel sind weiblich. Das kollektivvertragliche Mindestgehalt für Vollzeitangestellte liegt derzeit im alten Kollektivvertrag bei 1.675 Euro brutto pro Monat, im neuen KV macht es 1.714 Euro brutto aus. Allerdings arbeitet ein Großteil Teilzeit.“ (https://www.kleinezeitung.at/international/corona/5789929/Fuer-Helden-des-Alltags_Supermarktketten-schuetten-Millionen-an)
1.714 Euro für die Wenigen, die einen Vollzeitjob haben und das brutto für monotone Tätigkeit, einseitige Belastung, gepaart mit Konzentration, vermindert doch jeder Fehler beim Herausgeben diesen spärlichen Lohn noch weiter. Große Sprünge sind da nicht drin.
Die von den Kassiererinnen – wie im übrigen aller anderen Mitarbeiter einer Firma – verrichtete Arbeit ist Mittel des Ertrages der Firma. Das hat Konsequenzen nicht nur für die Bezahlung, sondern auch hinsichtlich der Gestaltung der Tätigkeit, insbesondere der Arbeitszeiten. Mit Teilzeitarbeit verschaffen sich die Unternehmen die ihrem Geschäftserfolg dienliche personelle und organisatorische Flexibilität des Einsatzes der Kassierer und Kassiererinnen: Einsatz der Kassierer und Kassiererinnen nach Möglichkeit immer nur dann, wenn mit größerem Kundenandrang zu rechnen ist, auf dass keine bezahlte Arbeitsstunde ungenutzt verstreicht.
Für die große Mehrheit der Arbeitnehmer in Teilzeit heißt dies nicht nur, sich den Tag längs der Bedürfnisse ihres Unternehmens einteilen, sondern und vor allem auch mit einem entsprechend der verringerten Arbeitszeit auch aliquot verringerten Einkommen auskommen zu müssen. Es ist dies daher eine Arbeit, die von vorneherein nur als das bitter notwendige Zubrot zum Familieneinkommen taugt. Wenig verwunderlich daher, dass der Großteil derjenigen, die dieses Arbeitsangebot annehmen, Frauen sind, auf die zu Hause noch einige andere „familiäre Verpflichtungen“ warten. Wenig verwunderlich auch, dass die Supermärkte sich diese Erpressungssituation dieses großen Heeres auf ein Zubrot angewiesener Frauen nicht entgehen lassen. Konsequenz sind die in diesem Berufsfeld gezahlten Löhne – die ganze Branche gehört deshalb zum Niedriglohnbereich.
Erwartungen, dass sich das Corona-Engagement auf dem Lohnzettel auswirken müsste, wie sie der Verfasser der eingangs erwähnten Standard-Kolumne über die Supermarktkassiererinnen als „Dienstleisterin unserer Herzen“ formuliert:
„Eine Hoffnung birgt somit die erzwungene Lahmlegung unserer Geschäftigkeit: Sie rückt die Wichtigkeit gerade solcher Berufsgruppen in den Blick, über deren Wohlergehen man für gewöhnlich pauschal hinwegsieht. Unsere Supermarktkassiererinnen sind Heldinnen, Punkt. Sie haben es verdient, auch nach Abklingen der Ansteckungsgefahr anständig entlohnt zu werden. Das könnte unter anderem bedeuten, unbedingt mehr als 15 Euro Stundenlohn an sie auszuzahlen“ (Ronald Pohl, „Kopf des Tages“ Der Standard vom 18.3.2020),
wurden seitens der Supermarktketten wenig überraschend nicht erfüllt. An tatsächlicher pekuniärer Abgeltung des „unermüdlichen Einsatzes in dieser schwierigen Ausnahmesituation“ sehen die Unternehmen keine Lohnerhöhung sondern maximal eine Extragratifikation in Form eines „Danke-Bonus“ für ihre Bediensteten vor.
„Der Salzburger Handelskonzern Spar hat bereits gut 3 Mio. Euro an die durch den ersten Riesenkundenansturm vorerst besonders getroffenen Mitarbeitergruppen ausgeschüttet, hieß es auf APA-Anfrage. Auch bei Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa) bekommen alle 40.000 Beschäftigten in den Filialen, Lagern und der Logistik in den nächsten Tagen einen "Danke-Bonus" auf ihre Mitarbeiterkarte aufgebucht. In Summe macht das Unternehmen dafür einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag locker. "Wir sagen nicht nur Danke für ihren unermüdlichen Einsatz in dieser schwierigen Ausnahmesituation, sondern wir honorieren ihr Engagement zugleich in finanziell spürbarer Weise", so das Unternehmen in einer Stellungnahme.“ (https://www.kleinezeitung.at/international/corona/5789929/Fuer-Helden-des-Alltags_Supermarktketten-schuetten-Millionen-an, 24.3.2020)
Stolz verweisen die Supermärkte darauf, dass sie sich nicht hätten lumpen lassen. Sie sagen nicht nur „Danke“ sondern versilbern dieses Danke in Form eines einmaligen „Danke-Bonus“ für außergewöhnliche und – an den Umsatzsteigerungen der Supermarktketten kenntlich – geschäftsnützliche Anstrengungen und Anerkennung von Mehrarbeit.
Die Regierung ihrerseits, die in „Corona-Zeiten“ mit anerkennenden Worten zum Dienst der Supermarktkassiererinnen nicht geizt, verspricht, diese Bonuszahlungen steuerfrei zu stellen. Aber selber einen Bonus springen zu lassen, kommt nicht in Frage. Ein entsprechender ins Parlament eingebrachter Gesetzesantrag wurde mit den Stimmen der türkis-grünen Regierung abgelehnt:
„Mitarbeiter systemerhaltender Berufe sollten als Würdigung ihrer Arbeit eine Sonderprämie von 1000 Euro (in Form einer Steuergutschrift oder einer Negativsteuer) erhalten. Einstimmigkeit im Parlament sollte eigentlich hier nur Formalität ein. Nicht so im konservativen Österreich. Denn die Kurz-ÖVP, die Grünen und die Neos lehnten den Antrag auf die Sonderzahlung für Krankenschwestern, Pfleger, Supermarktangestellte und Polizisten ab.“ (https://www.meinbezirk.at/krems/c-politik/corona-krise-tuerkis-gruene-koalition-lehnt-sonderpraemie-fuer-systemerhaltende-berufe-ab_a4003206, 24.3.2020)
Anders als eine Zahlung aus dem Staatsbudget hat eine solche Steuerbefreiung aus staatlicher Perspektive gleich einen doppelten Vorteil. Sie entlastet den wichtigen Geschäftszweig der Supermärkte und belastet zugleich das Budget nur mittelbar.
An den Arbeits- und Lohnkonditionen von Supermarktkassiererinnen etwas zu ändern, dafür sieht niemand der wirklich Verantwortlichen eine Veranlassung. Lohnerhöhung für die Handelsangestellten gibt’s keine. Was es gab, ist die Gründung einer „Initiative VerkäuferInnen WERTschätzen“, die sich dafür eingesetzt hat, als Kunde Angestellten im Supermarkt Trinkgeld zukommen lassen zu können. Kunden, die einem Supermarkt durch ihren Kauf zu seinem geschäftlichen Erfolg verhelfen, dürfen sich bei den Kassiererinnen für ihren Dienst an der Kasse erkenntlich zeigen und ihren miesen Lohn durch einen Anerkennungsbeitrag aus ihrer in aller Regel ebenfalls nicht allzu großen Geldtasche ein wenig auffetten.
Was es außerdem reichlich gibt, ist Lob bis hin zur Heldenverehrung der Kassiererinnen auch und ganz besonders von Seiten der Politik – von Merkel bis Kurz:
„Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am 18. März bei ihrer TV-Ansprache an die Bevölkerung: „Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, der macht einen der schwersten Jobs, die es zurzeit gibt. Danke, dass Sie da sind für ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten.““ https://www.sat1regional.de/supermarktmitarbeiter-und-kassierer-in-corona-zeiten-zeit-fuer-ein-dankeschoen/
Ein Lob, das einem zu denken geben sollte. Ausgesprochen wird es doch ausgerechnet von denen, die darauf bestehen, dass Güter des Bedarfs keinesfalls verteilt werden, sondern gekauft werden müssen. Erst das treibt die Kassiererinnen auf Grundlage ihrer ökonomischen Abhängigkeit, die sie demselben Personenkreis zu verdanken haben, und die ihnen wenig Spielraum lässt, der Gefahr zu entgehen, in die Geschäfte und hinter ihre Kassen. Diese Ehrenbezeugungen wurden trotz ihres Zynismus von den Kassiererinnen nicht zurückgewiesen. Sie nehmen das Risiko, dem sie sich aussetzen mussten, vielmehr als unabwendbares Schicksal zur Kenntnis – „Wir sind gerade die armen Schweine, die das Land am Laufen halten“ (Aussage einer Supermarktbeschäftigten, Helden der Arbeit in Die Zeit vom 19.3.2020) – wird eine Supermarktbeschäftigte in der Wochenzeitung die Zeit wiedergegeben – und legen sich das Lob – nicht ohne ein klein wenig Stolz – als Auskunft über die neuentdeckte Wichtigkeit ihres Dienstes für die Gesellschaft zurecht. Nicht auffallen will ihnen dabei, dass es dieselbe Gesellschaft ist, die sie hochleben lässt, die mit den eingerichteten ökonomischen Abhängigkeiten überhaupt erst dafür sorgt, dass sie sich dem Risiko der Ansteckung aussetzen müssen.
Und all jenen, die jetzt bedauern, dass die Heldenverehrung der Supermarktkassiererinnen deren miese Lohnsituation nicht verbessert hat, sei ins Stammbuch geschrieben:
Anerkennung von Opferbereitschaft und materielle Entschädigung schließen sich tatsächlich wechselseitig aus!
2.
Die „Corona-Krise“ – vor allem die Zeit des Lockdowns - war nicht nur begleitet von Debatten darüber, wann endlich der gewohnte Normalfall wieder zurückkehre, sondern es waren in vielen österreichischen und deutschen Zeitungen auch Beiträge zu lesen, die lauteten, dass die „Corona-Krise“ gezeigt hätte, dass in Zukunft „nichts mehr so sein wird wie zuvor“.
In der soeben erschienen aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Gegenstandpunkt 2-20 findet sich zu dieser Debatte ein Artikel mit dem Titel „Hinterher wird nichts mehr wie vorher sein– von wegen!“.